Vernalisation und ein zickiger Frühling

Heute geht es um Vernalisation. Nie gehört? Hat mit dem Wetter zu tun oder besser, mit den Temperaturen.

Dieser Frühling ist wirklich zickig. Von T-Shirt-Wetter bis 20°C und Frost ist alles vorhanden. Dazu Sturm, Wind, Regen, Gewitter, Schnee. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber mich nervt es so langsam.

Morgens vorm Kleiderschrank – keinen Plan. Blick auf meine vorgezogenen Pflanzen – auch keinen Plan.

Ich bin gerade völlig planlos. Heute ist es 18°C und grau, in den nächsten Tagen soll es aber wieder kalt werden, bis hin zu Nachtfrost. Was soll ich mit meinen Pflanzen machen?

Vernalisation

Es ist gar nicht mal so die Temperatur im Sinne von: “Die erfrieren mir.” Es geht um Vernalisation. Ein typisches Problem mit Sämlingen im Frühjahr. Sprich: Wenn eine Pflanze glaubt, es wird Frühling, will sie blühen. Und das ist oft richtig schlecht.


Bedeutet, dass die Sämlinge, wenn sie bei halbwegs warmem Wetter ins Freie kommen, aber es dann nochmal kalt wird und danach die Temperatur wieder in die Höhe steigt, denken, es war Herbst, dann Winter und jetzt wird es Frühling – alles im Zeitraffer innerhalb von ein paar Tagen. Die haben halt keinen Kalender, sondern nur Temperatursensoren. Die jetzt schnell länger werdenden Tage, tun ein Übriges.

Und dann war’s das zum Beispiel mit der Roten Bete. Denn dann wird sie in die Höhe schießen, Blüten bilden und ihre Kraft in die Samenbildung investieren – nur Knollen gibt es keine, ergo keine Ernte. Mit vielen anderen Pflanzen geht es ebenso. Salate könnten ebenfalls schießen, statt Köpfe zu bilden. Oder Kohlrabi – jede Menge Blätter, aber keine Knollen. Kopfloser Weißkohl oder Rotkohl. Wirsing nur aus lockeren Blättern. Nach ein paar Wochen ist dann schon alles weg und man steht wieder vor leeren Beeten.

Dabei ist ein Trick der Pflanzen der Auslöser. Damit sie nicht mitten im Winter plötzlich blühen und Samen ansetzen, die die Kälte nicht überstehen würden, bilden sie im Herbst bei abnehmenden Temperaturen und kürzeren Tageslängen schosshemmende Inhaltsstoffe. Die werden im Umkehrschluss durch die Umstellung von Kurz- zu Langtag und steigende Temperaturen abgebaut und das führt zur natürlichen Induktion des Schossens. Die Temperaturen müssen dafür noch nicht einmal unter die Frostgrenze rutschen, oft reichen schon ein paar Plusgrade. Eine längere Kälteperiode um ca. 8°C braucht beispielsweise der Winterweizen, weshalb er schon im Vorjahr gesät wird.

Meine Rote Bete, reagiert dagegen extrem empfindlich und schosst schon bei geringstem Kältereiz. Also ist Vorsicht geboten. Lieber noch ein wenig warten. Falls man es aber doch nicht abwarten konnte und das Malheur passiert: Die zarten Frühlingsblätter sind super im Salat. Man muss sich aber beeilen, denn geschossene Pflanzen bilden ganz schnell Bitterstoffe. Das hat den Sinn, Fraßfeinde, also im Zweifelsfall uns, von den wertvollen Blüten und Samen fernzuhalten. Schließlich dient all das der Vermehrung und Arterhaltung und nicht dazu uns zu füttern.

Bei den heutigen Klimaveränderungen, allgemein steigenden Temperaturen und diesem Hin und Her beim Wetter kann Vernalisation jedoch in Zukunft im ganz großen Stil ein Problem für die Nahrungsmittelproduktion werden.


Nun stehen sie da, meine Babies, und warten auf Pflanzung. Das Vernalisationsproblem gilt für so ziemlich alle Pflanzen, von denen wir Blätter, Knollen und Wurzeln ernten wollen. Und davon stehen hier gerade so einige.

Manche Sämlinge haben noch ein wenig Zeit. Da sind erst die Keimblätter gebildet. Andere, wie die Kapuzinerkresse, brauchen größere Töpfe. Und meine Paprika- und Chilipflanzen werden mir hier langsam zu groß.

Denn es stehen auch schon zwei Schalen mit Tomatenaussaaten in den Startlöchern. Sobald sie keimen, brauchen sie Licht. Ergo werde ich heute mutig sein. Die Minisalate kommen ins Hochbeet zwischen die Radieschen, die schon aus der Erde schauen, und die Paprikas ins Gewächshaus. Dort können sie schon ein wenig abhärten. Vernalisation spielt bei Fruchtpflanzen oder denen, von denen man die Blüten isst, keine Rolle. Eher im Gegenteil. Denn hier wollen wir ja, dass sie blühen und/oder Früchte bilden.

Das mache ich mir gerade im Gemüsebeet draußen zunutze. Blühinduktion auf die nette Art.

Dort stehen Broccolipflanzen vom letzten Jahr. Sie wollten nicht blühen. Das wird aber jetzt anders aussehen. Die Winterkälte hat auch hier eine Vernalisation in Gang gesetzt. Oben waren die Pflanzen leider abgefroren, treiben von unten aber schon neue Seitentriebe. Also habe ich sie nicht komplett herausgerissen, sondern nur zurückgeschnitten. Dann gab es eine Portion Dünger und etwas Kompost für einen guten Start. Diese neuen Seitentriebe werden jetzt ganz schnell Blütenknospen bilden. Also genau das, was ich haben will.

Vernalisation

Der Cavolo Nero / Palmkohl vom letzten Jahr ist jetzt eigentlich am Ende. Er bildet aber im zweiten Jahr ebenfalls Blüten, deren Knospen ganz vorzüglich schmecken. Also auch ernten, kurz blanchieren oder in der Pfanne braten. Die restlichen Blätter können in einer “Ribollita” landen. Zum kalten Wetter passt die kräftige Suppe ganz prima. Erst dann kommen die Pflanzenreste auf den Kompost, und neue Samen in die Erde für die Blütenknospen im nächsten Frühjahr.

Vernalisation

Am Ende ist Vernalisation aber auch bei einigen Vertretern zwingend notwendig. Alle Zweijährigen Pflanzen brauchen diesen Impuls. Und wenn man eigene Samen ernten will, beispielsweise von Möhren, Petersilie, Salaten oder Pastinaken, braucht man die Vernalisation zwingend.

Es ist wie immer im Leben, es hat halt alles so seine Vor- und Nachteile.

Bis bald

                                                   

7 thoughts on “Vernalisation und ein zickiger Frühling

  1. Hallo Claudia,
    mein Palmkohl macht noch gar keine Anstalten, Knospen zu bilden, den werde ich noch mal beernten.
    Das Schossen ist wirklich ein Problem. Deine Aussaaten sehen klasse aus, so groß und üppig!
    VG
    Elke

  2. Hallo Claudia,
    diese Sorgen habe ich zum Glück nicht. Ich habe nur Zierpflanzen und da möchte ich ja überwiegend Blüten. Kapuzinerkresse ziehe ich nicht vor, die Samen überlasse ich sich selbst da wo sie entstanden sind.
    Die Wetterkapriolen bin ich aber wie jedes Jahr um diese Zeit auch leid, ich hätte jetzt bitte gerne Frühling!
    Liebe Grüße
    Susanna

  3. Hallo Claudia,
    letzte Woche war es hier sehr schön, sonnig und warm. Ich habe zum Glück diese Tage genutzt und ein wenig im Garten gewerkelt. Diese Woche ist es hingegen sehr bescheiden. Ich überlege schon die ganze Zeit, ob es Sinn macht in den Garten zu fahren oder nicht. Einmal scheint wieder die Sonne, dann stürmt es wieder…
    Ich fürchte, diese Woche wird es nichts mehr und dann ist mein Urlaub auch schon wieder vorbei. Naja… hilft ja nicht!
    Viele Grüße von
    Margit

  4. Hallo Claudia,

    mir geht es da wie Susanna. Mit meinen Zierpflanzen habe ich das Problem nicht, schließlich sollen sie alle kräftig blühen. Mein Gemüse ist dieses Jahr auf ein Minimum reduziert, weil ich Schnittblumenbeete in die Hochbeete setze. Ich möchte dieses Jahr viel selbst gezüchtetes Blumen-Material für meine Sträuße, Gestecke und Kränze anbauen. Mal schauen, ob es funktioniert. Die Sämlinge sehen zumindest gut aus.

    Ich drücke Dir die Daumen, dass Dein Gemüse nicht anfängt zu blühen und Du von den Früchten Deiner Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes zehren kannst.

    Sonnige Grüße sendet Dir,

    Sven.

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